In der Radiosendung des Norddeutschen Rundfunks vom 11.01.2012 „NDR Info Redezeit: Götz W. Werner und Christoph Butterwegge im Gespräch über ein bedingungsloses Grundeinkommen“ [1] wird Prof. Werner jedoch von Prof. Dr. Christoph Butterwegge vor allem dahingehend kritisiert, es fände nach dem vorgestellten Konsumsteuer-Modell gerade keine Umschichtung des Kapitals von reich nach arm statt. Das bedingungslose Grundeinkommen ließe nach Prof. Werners Idee keine Differenzierung bei unterschiedlichen Haushaltszusammenhängen oder Unterhaltsverpflichtungen etc zu. Die soziale Kluft werde dadurch größer.

 

Unter den Zuhörern der Sendung aber auch in einigen Gesprächen, die ich selber führte oder in Beiträgen, welche im Internet veröffentlicht wurden, gab es Bedenken wie diese:

  • Auch Reiche erhielten das bedingungslose Grundeinkommen.
  • Der jetzige Status bleibe mit einem bedingungslosen Grundeinkommen nicht erhalten.
  • Das bedingungslose Grundeinkommen schaffe ein Unternehmerparadies.
  • Die Löhne würden sinken.
  • Die Miete, z.B. in München, könne von einem bedingungslosen Grundeinkommen kaum bestritten werden.
  • Der Kündigungsschutz werde abgeschafft.
  • Das Arbeitslosengeld werde gestrichen.
  • Schwarzarbeit müsse verstärkt kontrolliert werden.
  • Es werde mehr Schwarzumsatz geben.
  • Wer solle überhaupt anspruchsberechtigt sein?
  • Erwerbseinkommen und Transfereinkommen stünden immer in einem Vorrang-Nachrang-Verhältnis bei der Existenz- und Teilhabesicherung… Dass zwischen beidem ein Vorrang-Nachrang-Verhältnis besteht, das kann man nicht abschaffen.[2]
  • Tatsächlich verlagere sich die Bedürftigkeitsprüfung nur, …weil das bedingungslose Grundeinkommen über die Besteuerung finanziert wird.[3]
  • Aus dem bisherigen Lohnsystem würde Kombilohn für alle Beschäftigten… Lohn ist dann nachrangiger „Zuverdienst“. Ein Mindestlohn müsste dann nur noch so hoch sein, dass er netto eine spürbare und deshalb attraktive Einkommensverbesserung über das bGE hinaus bringt. Ein Euro pro Stunde könnte dazu schon völlig ausreichen.[4]
  • …natürlich müsse ein unsinnig kompliziertes Steuerrecht einfacher werden. Aber Vereinfachung dürfe a) kein Selbstzweck sein und bedeute b) noch lange nicht, sich auf die Konsumsteuer festlegen zu müssen.[5]
  • Wer mache dann die „Drecksarbeit“?
  • Folgt man … der Richtschnur, die soziale Gerechtigkeit zu wahren, kommt die Mehrwertsteuer als Finanzierungsquelle des Wohlfahrtsstaates wohl kaum in Betracht, weil sie keine Rücksicht auf die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der ihr unterworfenen Bürger/innen nimmt und besonders kinderreiche Familien trifft, die in Relation zu ihrem niedrigen Einkommen einen relativ hohen Konsumgüterbedarf haben.[6]
  • Ein von der Erwerbsarbeit abgekoppeltes Grundeinkommen würde den Druck, die Massenarbeitslosigkeit konsequent zu bekämpfen, mindern. Selbst wenn die Erwerbslosen damit materiell besser als bisher abgesichert wären, bliebe das Problem ihrer sozialen Exklusion bestehen.[7]

 

 

Die Ergebnisse vom überparteilichen Runden Tisch von 21 Frauen aus Bundesverbänden, Initiativen, Gewerkschaften, Wissenschaft und Politik am 22. November 2007, Deutscher Bundestag zum Thema: Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE): Traum oder Alptraum für Frauen? - Frauenpolitische Sichtweisen lassen sich wie folgt zusammen fassen:

 

„Neben vielen grundsätzlichen Zustimmungen zum BGE wurden von einigen TeilnehmerInnen auch Befürchtungen aus spezifisch frauenpolitischer Perspektive artikuliert.

  1. Ein Grundeinkommen kann generell zum Sozialabbau führen, wenn es nicht den Kriterien des Netzwerkes Grundeinkommen entspricht. Ein Kriterium für ein Grundeinkommen, was diesen Namen verdient, ist: Das Grundeinkommen muss die Existenz und Teilhabe sichern.
  2. Ein Grundeinkommen deckt mglw. nicht Bedarfe in besonderen Lebenslagen ab (Schwangerschaft, Alleinerziehung, chronisch Krankheit etc.).
  3. Ein Grundeinkommen bewirkt nicht die Gleichberechtigung in der Arbeitswelt (Lohn, Arbeitsbedingungen, Zugang zu allen Berufen und allen Hierarchieebenen)
  4. Ein Grundeinkommen kann politisch als "Herdprämie" benutzt werden.
  5. Damit verbunden: Die Grundeinkommensdebatte rückt die Debatte um die gleiche Verteilung von Sorge- bzw. sozialer Reproduktionsarbeit in den Hintergrund.
  6. Damit verbunden: Über der Finanzierung des Grundeinkommens kann die Finanzierung der sozialen Infrastruktur (Kindertagesstätten, Bildung usw.) aus dem Blick verloren werden.

 

Folgender Umgang mit diesen Befürchtungen ist möglich:

  1. Das Grundeinkommen muss von der Höhe her und vom Verhältnis zu anderen sozialen Sicherungssystemen so ausgestaltet werden, dass eine Verbesserung der sozialen Absicherung aller Menschen bewirkt, nicht eine Verschlechterung. Dazu gehört auch, dass mögliche Mehrbedarfe in besonderen Lebenslagen über gesonderte Sozialsysteme abgesichert werden.
  2. Das Grundeinkommenskonzept muss inhaltlich und finanziell mit einer Verbesserung (Ausbau, Demokratisierung) der sozialen Infrastruktur, insbesondere im Bereich Kindertagesstätten, Bildung, Beratung verbunden werden.
  3. Eine Einführung eines Grundeinkommen, welches selbst einen Arbeitszeitverkürzungs- und Mindestlohneffekt hat, muss von weiteren Arbeitszeit und Lohnpolitiken begleitet werden, die für alle Geschlechter den weitgehend selbstbestimmten Zugang zur Arbeit und die selbstbestimmte Wahl und Gestaltung der Arbeitszeiten ermöglichen und eine gleiche und ausreichende Bezahlung für die gleiche Arbeit garantiert.
  4. Es bedarf eines weiteren kulturellen und politischen Kampfes a) für die gleichen Möglichkeiten für Frauen in Beruf und Arbeitswelt, b) für die gerechtere Verteilung von Sorge- bzw. sozialer Reproduktionsarbeit und c) für gleiche Möglichkeiten von Frauen im bürgerschaftlichen Engagement.

Der Punkt 1 und 2 ist in Grundeinkommenskonzepte (Ausgestaltung und Finanzierung) unmittelbar einzubauen. Die Punkte 3 und 4 sind Bestandteile der Einbettung eines Grundeinkommenskonzeptes in eine emanzipatorische Arbeits- und Sozialpolitik, die allerdings eine normative und kulturelle Fixierung auf die Lohn-/Erwerbsarbeit überwindet.“[8]

 

 

Es verwundert im vorherrschenden System, wenn ein namhafter Unternehmer einer Drogeriekette – Millionär -, ein System zugunsten eines selbstbestimmten Lebens im Wege des bedingungslosen Grundeinkommens vorschlägt, diesem dann von einem bekanntermaßen linksgerichteten Politikwissenschaftler dennoch mit massiver sozialpolitischer Kritik begegnet wird.



[2]    Daniel Kreutz, „Bedingungsloses Grundeinkommen?“ Teil 1, Neue Rheinische Zeitung, 24.02.2010 http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14802

[3]    Daniel Kreutz, „Bedingungsloses Grundeinkommen?“ Teil 2, Neue Rheinische Zeitung, 24.02.2010     http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=14825

[4]    Daniel Kreutz, aaO. Teil 1

[5]    Robert Ulmer, Der Konsumsteuer-Vorschlag – ein Hindernis auf dem Weg zum bedingungslosen Grundeinkommen?, Netzwerk Grundeinkommen, Akzente, 08.07.2011,     https://www.grundeinkommen.de/08/07/2011/der-konsumsteuer-vorschlag-ein-hindernis-auf-dem-weg-zum-bedingungslosen-grundeinkommen.html

[6]    Christoph Butterwegge, Bürgerversicherung und/oder bedingungsloses Grundeinkommen? S. 8,       http://www.christophbutterwegge.de/texte/Grundeinkommen.pdf

[7]    Christoph Butterwegge, aaO.

[8]    Zusammenfassung der Ergebnisse vom überparteilichen Runden Tisch der Frauen zum Thema:

  Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE): Traum oder Alptraum für Frauen? - Frauenpolitische Sichtweisen - 22. November 2007, 13.00 - 17.00 Uhr, Deutscher Bundestag, Jakob-Kaiser Haus, Zimmer 2.732, Pia Kaiser, Überparteiliche Fraueninitiative Berlin – Stadt der Frauen,     http://www.archiv-grundeinkommen.de/frauen/200804_BGE_Runder_Tisch_der_Frauen_Ergebnisse.pdf

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